Der DAX tänzelt gestern um die Nulllinie, die Anleger warten auf neue Impulse aus den USA, denn dort müssen noch wichtige Widerstände überwunden werden. Es gibt jedoch noch einen weiteren Index, der aktuell „einschläft“: Gold.
Das war der Grund, warum ich längere Zeit nicht mehr auf Gold eingegangen bin, einfach weil dort nichts zu berichten war. Bevor ich auf fundamentale Spekulationen zu sprechen komme, erst einmal ein detaillierter Blick auf die Charttechnik:
Im diesem Chart ist zu erkennen, dass der Goldpreis seit nunmehr einem Jahr oberhalb der 1.200er-Punkte-Marke seitwärts verläuft - mit sinkender Volatilität. Und damit ist immer noch das Alpha-Target im Spiel, das so gegen Ende Juni seinen Mittelpunkt erreicht. (Dazu, wie immer, der folgende Hinweis: Bei Tradesignal sind die Monatsangaben, die in der Zukunft liegen, verzerrt, da Feiertage und Wochenende nicht rausgerechnet sind).
Gold schläft ein
Gerade in den vergangenen Wochen seit Ende März kommt es nur noch zu ganz kleinen unmotivierten Fluktuationen beim Gold. Wenn die Volatilität derart sinkt, steigt die Gefahr, dass eine dynamische Bewegung folgt. In diesem Fall würde ein nachhaltiges Unterschreiten der 1.265er Marke mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass das Target noch erreicht wird.
Und das ist zurzeit noch das favorisierte Szenario, denn insgesamt sehen wir in den vergangenen Monaten, dass keine neuen, höheren Hochs ausgebildet werden konnten. Die gesamte Formation seit Mitte vergangenen Jahres erinnert somit an ein absteigendes Dreieck:
Hier sehen Sie dieses absteigende Dreieck eingezeichnet (blaue Linien). Wenn nun die untere Linie bei ca. 1.185 Punkten nach unten gebrochen wird, wird das Kursziel wie folgt berechnet: Man nehmen die Spanne der höchste Fluktuation in diesem Dreieck (hier als blaues Rechteck eingezeichnet) und lege es an die waagerechte Linie nach unten an. Daraus ergibt sich ein Kursziel von ca. 944 Punkten.
Das passt zu der hier im Steffens Daily seit langer, langer Zeit vertretenden Theorie, dass der Goldpreis mindestens noch einmal unter die 1.000-Dollar-Marke fallen wird, bevor er sich wieder fängt.
Die fundamentale Situation
Und dieses Szenario macht auch aus fundamentaler Sicht mittlerweile immer mehr Sinn. Schließlich bereitet die US-Notenbank eine Straffung ihrer Geldpolitik vor, was zumindest in der Tendenz zu einer Stärkung des Dollars führen sollte. Da Gold in Dollar gehandelt wird, würde ein stärkerer Dollar, sofern man die anderen Einflussfaktoren außen vor lässt, zu einem fallenden Goldpreis führen.
Das große Aber
Und jetzt kommt die wirklich interessante Seite an diesem Spiel. Sie erinnern sich vielleicht noch, dass ich kurz vor dem Hoch im Gold vor eine Übertreibung und einem folgenden Einbruch gewarnt habe, da die damaligen Inflationssorgen unbegründet waren und stattdessen eine Deflation entstünde. Und etwas Ähnliches könnte sich nun bald auf der Unterseite entwickeln:
Wenn Gold tatsächlich noch unter die 1.000-Dollar-Marke fallen sollte, könnte es zu einer Übertreibung nach unten kommen. Wie ich am Freitag, den 16.05.2012, schrieb kann es sein, dass in den USA nun eine Inflation einsetzt. Sollte das geschehen, würde nun, nachdem der Goldrun vorbei ist, doch noch genau das Szenario eintreten, was die Anleger von 2009 bis 2013 in Gold getrieben hatte: Inflation. Und das interessanterweise jetzt, wo der Goldpreis so stark zurückgekommen ist. Verrückt oder?
Und genau wie damals alle Welt von Inflation redete, hören wir nun viele Stimmen zur Deflationsgefahr in den USA. Und das zu einem Zeitpunkt, in dem sich stattdessen eine Inflation entwickeln könnte. Sie sehen, es ist genau die gleiche Situation wie damals, nur mit anderen Vorzeichen!
Aus Sicht des Anlegers ergibt sich damit eine spannende Situation: Wenn es tatsächlich in den USA zu einer Inflationsentwicklung kommt, gleichzeitig der Goldpreis aufgrund steigender Zinsen in den USA zunächst weiter fällt, wäre das eigentlich ein nahezu idealer Zeitpunkt, in Gold einzusteigen. Es sind eben diese Ungleichgewichte zwischen dem Handeln der Masse und den fundamentalen Entwicklungen, welche zu den besten Tradingergebnisse führen.
Fazit:
Bisher ist das oben Beschriebene nichts weiter als eine sehr frühe Überlegung, und noch besteht weiteres Abwärtspotenzial im Gold. Wenn sich die Inflationsentwicklung in den USA jedoch verschärfen sollte und Gold trotzdem weiter fällt, ergäbe sich im Bereich der 1.000-Dollar-Marke durchaus die Gelegenheit für eine erste kleine Position - die man bei einer klaren Bodenformation aufstocken könnte.
Falls Gold jetzt schon steigt
Falls Gold die 1.185er-Dollar-Marke jedoch nicht unterschreitet und stattdessen über die blaue Abwärtstrendlinie nach hoben ausbricht, wird es aus charttechnischer Sicht hingegen nur leicht bullisher. Es wäre dann eine Vielzahl von Szenarien denkbar. Dazu mehr, wenn dies geschieht.
Jochen Steffens
Stockstreet GmbH